4. SONNTAG DER OSTERZEIT

 

Evangelium: Joh 10,27-30

 

Ich bin ein Christ: Ich glaube an Jesus Christus. Aber was heißt das? Wer ist dieser Jesus für mich? Wo ist er in meinem Leben anwesend, spürbar? Welchen Einfluss übt er auf mein Leben, auf mich, aus? Wie wichtig ist er mir? Bin ich bereit, für ihn etwas zu tun? „Die Sache Jesu braucht Begeisterte“, heißt es in einem Lied. Bin ich von Jesus begeistert? Bin ich so mit ihm vertraut, dass ich mich mit ihm verbunden fühle?

Um diese Verbundenheit, um diese Beziehung zu Jesus geht es im heutigen Evangelium. Er selbst spricht darüber, wie er seine Beziehung zu uns und unsere Beziehung zu ihm sieht. Natürlich tut er das - wie immer - mit Hilfe von Bildern. Bilder sagen immer mehr als abstrakte Worte und Begriffe. Sie sprechen nicht nur den Verstand, sondern auch unser Gefühl an, den ganzen Menschen.

Jesus vergleicht seine Beziehung zu uns, und unsere zu ihm mit der Beziehung zwischen einem Hirten und seiner Herde, seinen Schafen. Der Hirt kennt seine Schafe, jedes einzelne, mit seinem Namen. Jedes einzelne Schaf ist ihm wichtig. Er kümmert sich um sie, mit Einsatz aller seiner Kräfte. Er möchte nicht, dass eines verloren geht. Und umgekehrt kennen seine Schafe ihn. Sie hören auf ihn. Sie kennen seine Stimme. Sie folgen nicht einem Fremden, der sie ruft. Sie kennen seine Stimme und nur diesem ganz persönlichen Ruf folgen sie. Hirt und Schafe sind miteinander vertraut, sie sind aufeinander abgestimmt. Die Schafe vertrauen ihren Hirten, denn sie wissen, dass dieser sie zur Weide, zur Nahrung, zum Leben führt.

Eine ähnliche Beziehung wünscht sich Jesus zwischen ihm und uns, seinen Freunden. Es geht ihm um ein Freundschaftsverhältnis zwischen ihm, dem Guten Hirten, und uns, seinen Freunden. Indem wir immer wieder auf ihn hören, geschieht Annäherung und wächst innere Verbundenheit mit ihm. Jesus ruft jedes Mal, in jedem Abschnitt des Evangeliums, den wir sonntäglich hören, in jedem Wort, in jedem Bild. Unser Problem ist, dass wir das nicht immer so empfinden. Wir hören zwar die Worte, spüren aber nicht diese Stimme, diesen persönlichen Ruf, der in diesen Worten steckt. Aber ab und zu geschieht es dann trotzdem: Ein bestimmter Satz, ein bestimmtes Wort, das ich schon so oft gehört habe, trifft mich ganz besonders, spricht mich an, berührt mich, macht mich betroffen: Ich bin da gemeint, mich meint er. Und ich fühle mich gedrängt, das zu tun, was er da sagt. Ich selbst muss das tun. Und ich folge ihm, ich versuche zu verwirklichen, was Jesus meint. Und so wird dieser bekannte Satz von Jesus im Johannesevangelium für mich mehr als eine Floskel: „Ich bin der Weg, die Wahrheit, das Leben.“ Er wird zur tiefen innerlichen Überzeugung: Wenn ich auf die Stimme, auf den Ruf von Jesus höre und ihm folge, führt mich das zum wahren Leben.

„Ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Wieder so ein Bild. „Ewig“ ist nicht ein Zeitbegriff. Es drückt eher eine Qualität aus: unzerstörbar, von einer anderen Qualität als das verletzbare, immer vom Untergang bedrohte Leben, das jeder kennt. Diese Freundschaftsbeziehung zu Jesus gibt mir das Vertrauen, dass ich nicht zu Grunde gehen werde.

Und warum habe ich dieses Vertrauen? Das gibt mir diese Spitzenaussage von Jesus: "Ich und der Vater sind eins." In Jesu Handeln und Wirken handelt und wirkt Gott selbst. Im Wirken, im ganzen Leben Jesu, in seiner Person, begegnet, manifestiert, offenbart sich Gott selbst mit seiner Zuneigung zu uns, zu mir. Da gibt es das Suchen nach Gott, das Ringen mit Gott, weil er Schweres zulässt, das Suchen nach dem Gesicht Gottes, der mir anders entgegenkommt als ich ihn mir vorstellte. Durch Jesus dringt Gott in mich ein.

An Jesus glauben? Das tue ich, wenn ich eine ganz persönliche, bis in die Tiefe meines Wesens reichende Beziehung zu Jesus finde. Das sagen die Bilder, die Jesus im Evangelium verwendet. Durch Jesus komme ich Gott näher.

Ein Dichter hat es so formuliert: Plötzlich - ein Wort, eine Geste, ein Bild, ein Lied... trifft, berührt, geht nach, lässt nicht mehr los, umfängt, fordert heraus, wird unbequem, birgt Verheißung, ist Zumutung, macht Lust, ist Angst - ist Frage, Verlockung, Unsicherheit, Verwirrung, und doch Gewissheit. Jesus hat mich gerufen. Ich bin gemeint.

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